Cider Erfahrungen
By birnbub
Cider / craftCider / Apfelwein
Vorwort
Seit nunmehr 6 Jahren vergäre ich hauptsächlich Äpfel und Birnen. Meine ersten Erfahrungen in der Weinbereitung machte ich bei der Essigherstellung. Bei der Essigherstellung war mir die Auswahl des Obstes und das Säuremanagement nie besonders wichtig. Mit der Essigherstellung begann ich, weil mir die Erfahrung in der Weinbereitung fehlten. Obwohl die Herstellung eines Apfelweines immer zu meinen grössten Zielen gehörten. Ich habe meine Erfahrungen gemacht, und seit ca. 1 Jahr versuche ich mich am Cider. Meinen Weg zu einem annehmbaren Apfelwein mit gewöhnlichen Mitteln und geringem Energieeinsatz möchte ich nun teilen.
Es ist durchaus möglich einen guten bis ausgezeichneten Apfelwein herzustellen, ohne industrielle Wege zu beschreiten. Und was mir besonders am Herzen liegt, auf Zusatzstoffe und Chemikalien, bspw. Sulfite (soweit als möglich), zu verzichten. Dabei sind zwei Parameter unbedingt zu berücksichtigen. Zum einen ist das der Säuregehalt von Most und Wein, und die Umgebungstemperaturen. Sie haben grossen Einfluss auf die Zeit innerhalb des Prozesses in dem wir uns bewegen. Der Prozess ist in meinem Fall immer gleich. Der zeitliche Rahmen ändert sich abhängig von Säure und Temperatur. Aber die Arbeiten sehe ich als Konstante. Eventuell kann sich der Prozess geringfügig bei der Verarbeitung von der Art des Obstes ändern. Dennoch haben wir bei unterschiedlichen Obstarten die gleichen Schritte zu vollziehen. Manchmal in unterschiedlicher Reihenfolge. Beispielsweise habe ich Zwetschgen zuerst vergärt und dann gepresst. An den eigentlichen Arbeiten ändert das nichts.
In der deutschsprachigen Literatur findet sich leider kaum umfassende und hilfreiche Literatur die über das Grundverständnis der Weinbereitung hinausgeht. Zu anfangs habe ich einen Kellereikurs für die klassische Weinbereitung besucht, der mir ein Grundverständnis über die Abläufe gab, bei der Kernobstverwertung aber kaum hilfreiches vermittelte. Erst als ich die Webseite von Andrew Lea besuchte (und sein Buch las), wurde mir klar, dass Obstweine vielschichtiger und komplexer sind, und man besser mit und in der Natur arbeitet. Sein Buch “Craft Cider Making” gibt einen ausgewogenen Überblick über alle Bereiche der Apfelweinherstellung. Seine Website, zwar in die Jahre gekommen, ist wissenschaftlich eine ausgezeichnete Ergänzung zu seinem Buch.
Einleitung
Ich beschreibe hier nicht die technischen Handlungen, wie das Pressen, oder das Ansetzen und Zugeben von Hefen. In einschlägigen Lektüren und in den Beilagen der Hersteller sind diese Abläufe hinreichend beschrieben. Ich selbst habe eine 40 Liter Speidelpresse und einen Muser der auch Quitten mahlen kann. Vergärt wird in handelsüblichen Most- oder Maischefässern. Auch lagere ich in 60 oder 100 Liter Mostfässern aus Plastik. In ertragreichen Jahren lagere ich in Immervollfässern. Ich besitze eine billige Weinpumpe mit der ich auch die Hydraulikpresse bediene. So kann ich das Wasser für den Druckaufbau mehrmals verwenden. Das Wasser lässt sich später bei der Reinigung verwenden. Mein Prozess ist energiearm. Das meiste geschieht von alleine, auch der Druckaufbau in der Flasche. Nachteile muss man in Kauf nehmen, wie der Hefesatz der sich am Flaschenboden bildet. Mittlerweile empfinde ich den Hefesatz am Flaschenboden dennoch eher geschmacksfördernd. Goldmedaillen und Auszeichnungen werde ich eher nicht abräumen, weil mir das noch nie wichtig erschien. Viel wichtiger ist mir das Arbeiten in und mit der Natur. Im weiteren wird dies, denke ich, klar herausgestellt. Das wichtigste aus meiner Sicht, sind die zur Verfügung stehenden Resourcen, also das Obst. In der Natur geschieht die Reifung und der Behang von alleine. Wir müssen nichts anderes tun, als zu warten und den richtigen Zeitpunkt bzw. den Reifepunkt des Obstes abzuwarten. Einzig die Entscheidung, wann und was wir ernten, haben wir zu treffen. Das ist einfacher, als es auf den ersten Blick erscheint.
Obstauswahl / Ernte
Anfangs hatte ich auf die Obstwahl keinen grossen Wert gelegt. Ich war der Meinung, dass anhängig von der technischen Ausstattung und der Verfahren, maximaler Einfluss auf die Qualität des Weines genommen wird. Wer sauber arbeitet, und sich an die generellen Abläufe hält wird nur wenig am Geschmack des Weines ändern. Sehr wichtig ist sauberes Arbeiten und umgehendes reinigen der genutzten Ausstattung. Den grössten Einfluss auf den Geschmack des Entproduktes erhält man mit der Auswahl des Obstes. Dass es sauber, nicht schimmelig und faulig sein darf, versteht sich von selbst. Am wichtigsten sind der Reifegrad und die gewählten Sorten. Folgende allgemeine Regeln gelten:
- Kein Tafelobst verwenden, sondern alte Sorten auswählen
- Obst das beim Direktverzehr nicht schmeckt ist zu bevorzugen (bitteres Obst bevorzugen)
- Reifes Obst verwenden
- Säuregehalt ausbalancieren und messen
- Nachteile beim säurearmen Obst kennen und entsprechend handeln
- Obst sortenrein vergären und nach der Vergärung den Wein bewerten
Zu 1:
Tafelobst muss heutzutage vielen Kriterien genügen. In erster Linie muss das Tafelobst bei bestimmten Temperaturen lagerfähig sein. Damit es lagerfähig bleibt, muss es über einen gewissen Zeitraum druckunempfindlich sein. Ich nenne diese Art von Obst Plantagenobst. Alle diese Sorten sind für den Direktverzehr gezüchtet und für die Weinproduktion ungeeignet. Zusätzlich wird das Plantagenobst “chemisch” geschützt; auch Bio-Plantagenobst. Nach der Vergärung schmecken die Weine dünn und sauer. Alte Obstsorten vom Hoch- oder Halbstamm sind die beste Wahl.
Zu 2:
Obst das sensorisch nicht schmeckt hat einen zu hohen Säuregehalt, keinen Säuregehalt oder sehr viele Gerbstoffe und Polyphenole. Der Zuckergehalt kann aus meiner Sicht vernachlässigt werden. Er wird ohnehin grösstenteils in Alkohol umgewandelt. Jedoch hat der Zuckergehalt beim verspeisen der Äpfel einen überdeckenden Charakter der Säure, so dass die Bitterstoffe nur schwer eingeschätzt werden können. Nach einiger Zeit und zusätzlicher Erfahrung fällt die sensorische Bewertung allerdings leichter. Man sollte auf den Nachgeschmack beim verspeisen achten. Im Abgang erkennt man die Bitterkeit besser. Es gibt auch Äpfel die nur süss sind. Diese eignen sich gut, um den Säuregehalt zu reduzieren. Eines wird deutlich: Die Suche nach den “geeigneten” Sorten ist schwierig und langwierig. Diese Sorten sind kaum noch zu finden, da hauptsächlich für Tafelobst oder Süssmost angebaut wird. Dort spielt das Verhältnis von Säure zu Süsse die bedeutendere Rolle. Leider hat man im Laufe der Jahrzehnte ein Geschmackssegment vollständig weggezüchtet. Ich hatte das Vergnügen im Jahre 2022 einen Süssmost aus einem Bitter-Sweet-Apfel zu pressen und zu verkosten. Dadurch war es mir möglich den Einfluss der bitteren Sorten auf den Geschmack kennen und schätzen zu lernen.
Zu 3:
Den Reifegrad von verschiedenen Sorten zu erkennen ist eine sehr schwierige Aufgabe. Es gibt Lager-, Most-, Wein-, Dörr-, Kochsorten und viele andere. Beim Überbehang kann es vorkommen, dass vieles nicht richtig ausreift. Gerade in den letzten Jahres haben die Erträge durch die Trockenheit, aber auch die Nässe stark abgenommen. Oder Äpfel bleiben klein und reifen frühzeitig aus, bzw. werden schon vor der Reife abgeworfen. Der erste Indikator für die Reife von Kernobst ist die Kernfarbe. Ist der Kern noch weiss, dann ist das Obst nicht reif. Umgekehrt ist die braune Farbe der Kerne nicht unbedingt ein Indikator für die Verwertungsreife des Obstes. Im Zweifel holt man die Äpfel vom Baum und lagert sie noch für 2 Wochen. Da ich viele der Sorten als Tafelobst verwerte, habe ich immer einen Überblick welche Sorten gerade reif sind und reif werden.
Der schwierige Teil folgt nun erst noch. Der Reifegrad des Obstes muss so gewählt werden, dass sich die Vermostung lohnt. Dieser Prozess ist nicht planbar und ich entscheide von Woche zu Woche.
Birnen vermoste ich sehr gerne. Meist gibt es noch die eine oder andere Mostbirne. Mostbirnen lese ich meist als Fallobst auf und schüttle den Rest vom Baum. Dann werden die Birnen noch gelagert bis sie innen oder teilweise auch aussen braun werden. Meist reichen 2 Wochen Lagerung, währenddessen noch zweimal die fauligen und schimmligen aussortiert werden. Einige sind in der Zwischenzeit ganz braun, haben keine Druckstellen und sind unbeschädigt. Sie riechen dann leicht muffig, sind aber essbar, innen noch fest, wenngleich nicht wohlschmeckend (aber der Most schmeckt hervorragend). Die Gerbsäure hat sich dann grösstenteils abgebaut. Wichtig ist dann: Langsam pressen und anschliessend 2 Tage kühl stellen damit sich alle Eiweisse und Schleimstoffe absetzen, anschliessend vom Trub abziehen. Die Gerbsäure nimmt während dieser zwei Tage nochmals ab. Bei sehr viel Trub ziehe ich nach dem ersten Tag ab, und nochmals bevor ich die Gärung starte. Ist der Most zu warm, bzw. sind die Temperaturen noch hoch, sollte man über eine Schwefelung nachdenken (siehe nächstes Kapitel).
Schwefeln vor der Vergärung
Nach der Pressung des Obstes hat man einen Most zur Verfügung, der Hefen und Bakterien in grosser Artenvielfalt enthält. Es ist möglich den Most so zu schwefeln, dass nur noch die zugesetzte Hefe ihre Arbeit verrichtet. Insbesondere minderwertige Hefen und Bakterien werden getötet und dem Most entzogen, die eher schlechte Aromen erzeugen. Eine PH-Messung muss vor der Schwefelung durchgeführt werden, um die Menge des zuzuführenden Schwefeldioxids zu bestimmen. Je höher der PH-Wert desto mehr muss geschwefelt werden. Säurearme Moste und Weine haben einen hohen PH-Wert und sind ansich sehr instabil. Ab einem PH-Wert von ca. 3.8 sollte man bereits vor der Vergärung darüber nachdenken, ob nicht bereits hier ein säurestarker Most verschnitten wird. Auf jeden Fall bringt die Schwefelung eine grössere Stabilität in den Most, weil Hefen eher einen niedrigeren PH-Wert bevorzugen. Gerade bei Birnen kann der PH-Wert auf 4 ansteigen, was eine Gärstockung mit sich bringen kann. Hat man hier bereits geschwefelt, dann bleibt der Most für einen längeren Zeitraum stabil und die minderwertigen Organismen werden an ihrer Arbeit gehindert. Das PH-Meter ist eines der wenigen Geräte, die ich empfehle. Sie sind heutzutage sehr kostengünstig zu erwerben. Den Anfängern rate ich auf technische Hilfsmittel zu verzichten, und zuerst das Handwerk zu erlernen.
Vergärung
Die Wahl der Hefe habe ich von den Umgebungstemperaturen abhängig gemacht. Mein Keller kühlt im Herbst recht schnell herunter und ich möchte eine möglichst schnell startende Vergärung erreichen. Im Datenblatt der Hefe steht, bis zu welcher Temperatur sie gärfähig bleibt. Nun weiss ich, dass es im Keller so lange gärt, bis diese Temperatur erreicht wird. Entscheide ich mich, den Behälter zu öffnen muss ich bereit sein. Entweder die Gärung ist beendet und ich fülle den Wein dann um, oder die Gärung ist noch nicht beendet und ich schliesse den Behälter wieder. Meist warte ich solange, dass ich mir sicher bin, dass die Gärung beendet ist. Da mein Keller im Winter recht kalt ist, habe ich mit dem Hefelager noch nie Probleme bekommen. Bei wärmeren Kellern würde ich bei Gärende zügig umfüllen.
Sensorik
Öffnet man den Gärbehälter nach Gärende, dann wird der Wein probiert. Insbesondere die sensorische Säure wird beurteilt. Es gibt zwei unterschiedliche Wege, wie ich vorgehen könnte. Bei den geringen Mengen, die ich verarbeite, entscheide ich mich an dieser Stelle, ob und in welchen Verhältnissen ich verschneide. Habe ich viel und verschiedene Weine, dann könnte ich zuerst abziehen und die sortenreinen Weine separat einlagern. Erst zur Flaschenabfüllung wird dann verschnitten. Mir ist es wichtig, dass ich einen Wein habe, der das Ganze Jahr über gleich schmeckt. Deshalb entscheide ich mich an diesem Punkt für das Verschnittverhältnis, bzw. probiere unterschiedliche Verhältnisse durch. An dieser Stelle kümmere ich mich ebenfalls um das Säuremanagement.
Säuremanagement
Nach der Vergärung hat der Wein eine bestimmte Menge an unterschiedlichen Säuren, die per Titration als Gesamtsäure gemessen werden. Als Richtwert für eine harmonische Säure nimmt man einen Wert von 6 - 7 gr. pro Liter an. In diesem Jahr habe ich einen Apfel- und einen Birnenwein. Der Birnenwein wird eine eher niedrige Säure haben, sagen wir 5 gr. Der Apfelwein kommt auf 8 gr. Vermische ich beide im Verhältnis 1:1 dann wird ein Wert von 6.5 gr. erreicht. Nachdem man den Verschnitt probiert hat, wird man versucht sein, den Anteil der Birne zu reduzieren, abhängig von der Qualität des Birnenweins.
Mit Hilfe des Verschnitts lässt sich ein harmonischer oder ein milder Apfelwein herstellen, ohne die Gärung zu unterbrechen, zu schwefeln und Kohlensäure künstlich hinzuzufügen. Letztendlich lässt sich die Milde durch zwei Parameter sehr gut einstellen. Nämlich der Reifegrad des Obstes und der Anteil der (bitter-)süssen Sorten.
Beim Säuremanagement betrachten wir nicht nur die Sensorik, sondern die Haltbarkeit des Weines. Mitunter ist das ein Grund weshalb ich gleich nach Gärende die Weine verschneide. Das Risiko eines Essigstichs ist bei einem Wein mit nur 5 gr. Säure sehr hoch. Die Haltbarkeit verbessert sich mit einem höheren Säuregehalt enorm, und es ist mir möglich die Weine bis in den nächsten Herbst zu lagern.
Im Sommer, wenn die Temperaturen im Keller steigen, kann es nochmals zu einem Säureabbau kommen. Im deutschsprachigen Raum spricht man von einem Biologischen Säureabbau (BSA). Man kann diesen zuverlässig mit Zuchtbakterien und einer erhöhten Temperatur hervorrufen, jedoch sind die Bakterien teuer. Öfters liest man beim Naturprozess von Buttergeschmack, der bei einem wilden Prozess entstehen kann. Allerdings bin ich der Meinung, dass bei Zugabe von bitter-süssen Aromen, diese beiden Geschmacksrichtungen unterstützend wirken. Obwohl der Säureabbau für die Haltbarkeit nicht fördernd ist, gilt es zu beachten, dass dieser Prozess mit einer Entwicklung von Kohlendioxid einhergeht, der eine Schutzschicht auf dem Wein erzeugt.
Flaschengärung
Bei der Flaschengärung halte ich mich an die Bierbrauer. Ich reichere den Wein nochmals mit Hefe und Zucker an, um den Druck in der Flasche auf ca. 2.2 bar bei 18 Grad anzuheben. Je nach Temperatur benötigt dieser Vorgang zwischen 1 bis 4 Wochen. Auf den verschiedenen Bierbrauerseiten errechnet man die Menge an Zucker zum erreichen des gewünschten Drucks. Über 2.2 bar sollte man nicht gehen. Die Gefahr des Überschäumens ist beim Öffnen der Flasche folglich sehr hoch. Ist der Druck zu niedrig, dann verliert der Cidre schnell seine Kohlensäure und wird stumpf. Natürlich kann ohne eine Nachvergärung gearbeitet werden. Jedoch steigt das Aroma durch die gebundene und frei werdende Kohlensäure nochmals deutlich.